Die lange Reise zum UNESCO Weltkulturerbe

Gute-Nacht-Geschichten – ein uraltes Ritual

Seit Jahrhunderten erzählen Eltern ihren Kindern kleine Geschichten vor dem Schlafengehen. Früher waren es oft Gebete oder Märchen, heute sind es fantasievolle Vorlese- oder Erzählrituale. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie schenken Geborgenheit, lassen Kinder leichter einschlafen und schaffen Nähe in der Familie. Das Erzählen am Abend ist mehr als Unterhaltung – es ist ein emotionaler Tagesabschluss, der Kindern Ruhe, Sicherheit und ein gutes Gefühl für die Nacht gibt.


Vom Buch ins Fernsehen

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die Idee auf, Gute-Nacht-Geschichten auch über die neuen Medien Radio und Fernsehen zu erzählen. 1959 trat das Sandmännchen im DDR-Fernsehen zum ersten Mal auf – neun Tage später auch im Westfernsehen. Während die West-Version schon 1989 verschwand, wurde „Unser Sandmännchen“ weitergeführt und gehört bis heute zum festen Abendprogramm vieler Familien. Es ist damit die älteste durchgehende Sendung im deutschen Fernsehen – und seit Generationen ein fester Begleiter für Kinder.


Ein Ritual für Millionen Familien

Noch heute schauen täglich bis zu eine Million Menschen das Sandmännchen – entweder klassisch um 18:50 Uhr oder flexibel in der Mediathek. Beliebt ist die Vielfalt: Mal kommt der Sandmann mit Motorrad, mal mit Rakete. Danach folgt eine kleine Geschichte, die mal lustig, mal nachdenklich ist. Dabei geht es um Freundschaft, Neugier, Zusammenhalt oder einfach um kindliche Fantasie. Dieses Ritual gibt Familien einen ruhigen Abendmoment und ist zu einem Stück Alltagskultur geworden.


Warum Kinder den Sandmann lieben

Das Sandmännchen ist weit mehr als eine Figur mit Traumsand. Es ist ein Freund, der Kinder jeden Abend sanft ins Bett begleitet. Die Geschichten fördern Werte wie Mitgefühl, Ehrlichkeit oder Hilfsbereitschaft. Gleichzeitig macht das Ritual Medienkompetenz erlebbar: Kinder lernen, Inhalte bewusst zu konsumieren, statt nur berieselt zu werden. Eltern schätzen den gemeinsamen Moment, in dem sie mit ihren Kindern lachen, staunen und träumen können – ganz ohne Hektik und Ablenkung.


Weitergabe von Wissen und Können

Hinter dem Sandmännchen steckt ein großes Team aus Puppenspielern, Trickfilmstudios, Autoren und Redakteuren. Sie bringen Kreativität, Einfühlungsvermögen und pädagogisches Wissen zusammen, damit die Geschichten altersgerecht sind. Aber auch Eltern tragen eine wichtige Rolle: Sie begleiten die Sendung, reden darüber und machen sie so zu einem echten Familienerlebnis. Gute-Nacht-Geschichten – ob vorgelesen oder im Fernsehen – sind kein Ersatz für Nähe, sondern eine wertvolle Ergänzung.


Ein Stück Kulturgeschichte

Das Sandmännchen hat eine spannende Entwicklung hinter sich. Seine Wurzeln reichen zurück bis in die Märchen der Romantik, als Dichter wie E.T.A. Hoffmann oder Hans Christian Andersen die Figur des Sandmanns beschrieben. Seit 1959 ist er fester Teil der deutschen Mediengeschichte und hat politische Umbrüche ebenso überstanden wie technische Entwicklungen. Heute gibt es mehr als 470 Rahmenhandlungen, viele davon noch regelmäßig im Fernsehen. Der Sandmann zeigt, wie ein Ritual über Jahrzehnte lebendig bleibt.


Wirkung weit über Deutschland hinaus

Der Sandmann ist nicht nur in Deutschland bekannt. Schon zu DDR-Zeiten wurden Folgen ins Ausland verkauft, und viele Länder entwickelten ähnliche Formate. Erwachsene erinnern sich mit einem Lächeln an ihre Kindheit und geben das Ritual heute an ihre eigenen Kinder weiter. Museen, Archive und sogar internationale Forschung widmen sich der Figur. Das Sandmännchen ist damit mehr als Nostalgie – es ist ein Symbol für kulturelle Identität und gemeinsame Erlebnisse über Generationen hinweg.

🌍 Präzise Liste der internationalen Ausstrahlung

Unser Sandmännchen wurde in folgenden Ländern und Regionen ausgestrahlt oder lizenziert.

Diese Liste basiert auf dokumentierten Exporten und kulturellen Kooperationen, insbesondere mit sozialistischen Ländern während der DDR-Zeit. Die Erwähnungen von „Lappland“ oder „Schwarzes Meer“ in älteren Quellen beziehen sich vermutlich auf metaphorische oder regionale Reiseziele innerhalb von Episoden, nicht auf tatsächliche Länderausstrahlungen.

  • Europa
    • Russland
    • Polen
    • Ungarn
    • Bulgarien
    • Tschechoslowakei (historisch)
    • Finnland
    • Schweden („John Blund“)
    • Norwegen
    • Dänemark
    • Niederlande
  • Asien
    • Vietnam
    • Japan
    • Mongolei
    • Sri Lanka
    • Kasachstan
    • Syrien
    • Irak
    • Jemen
  • Afrika
    • Ägypten
    • Angola
    • Mauritius
  • Amerika
    • Kuba
    • USA (einzelne Episoden, z. B. in Mississippi)

Der Sandmann auf dem Weg zum UNESCO-Weltkulturerbe

Nun soll das Sandmännchen offiziell als immaterielles Kulturerbe anerkannt werden. Der Antrag dafür ist gestellt. Ziel ist es, die Tradition der Gute-Nacht-Geschichten – in Büchern, im Fernsehen und in Familien – zu schützen und zu fördern. Denn sie gehören zu den schönsten Ritualen, die Eltern mit ihren Kindern teilen können. Sollte der Sandmann in das UNESCO-Verzeichnis aufgenommen werden, wäre das nicht nur eine Ehrung, sondern auch ein starkes Zeichen: Für Fantasie, Geborgenheit und den kulturellen Schatz der Kindheit.

Die Bewerbung zur Aufnahme von Unser Sandmännchen in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes läuft über folgende 3 Prüfstellen:

🏛️ Berlin – Landeskoordination Immaterielles Kulturerbe

Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt
Abteilung I – Kultur
Brunnenstraße 188–190
10119 Berlin

🏛️ Bonn – Nationale Koordination Immaterielles Kulturerbe

Deutsche UNESCO-Kommission e.V.
Colmantstraße 15
53115 Bonn

🏛️ Paris – Internationaler UNESCO-Hauptsitz

UNESCO Headquarters (Maison de l’UNESCO)
7, Place de Fontenoy
75352 Paris 07 SP
Frankreich